Flachsverarbeitung



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Nach gründlicher Recherche, die allerdings immer noch andauert, konnte ich vieles über den Flachsanbau und seine Verarbeitung zusammen tragen. Immer wieder stoße ich dabei auch auf sehr Interessantes. So wurde das Flachsschwingen zum Beispiel im 13. Jahrhundert in einigen Liedern besungen. Und Hans Fugger, Begründer des Bank- und Handelshauses war ursprünglich ein Weber, der durch den Barchenthandel (ein Leinen-Baumwollmischgewebe) groß geworden ist.

Da ich natürlich nicht alles lesen und wissen kann, bin ich für weitere Hinweise zur Flachsverarbeitung im Mittelalter sehr dankbar. Genauso möchte ich darum bitten, eventuelle Fehler in meinen Recherchen rückzumelden.
Mein Ziel ist es, soviel wie möglich über den Flachs und seine Verwendung gerade im Mittelalter zusammenzutragen, um auf Veranstaltungen dem Publikum dieses breite Wissen weitergeben zu können.

Ich verfüge mittlerweile auch über einige Abbildungen, die ich aber leider nicht ins Netz stellen kann, da ich nicht weiß, ob ich das darf. Daher ist zu den einzelnen Arbeitsgängen beschrieben, um welche Abbildungen es sich im Einzelnen handelt.

Es gibt Belege, dass der Flachs bereits vor etwa 10.000 Jahren angebaut wurde. Diese stammen aus Mesopotamien, dem heutigen Irak und der Türkei. Für Europa gibt es Belege erst um 2700 aus der Schweiz.
Im Mittelalter wurde der Flachs vorwiegend in Mitteleuropa angebaut. Der sogenannte Flachsgürtel zog sich von England bis ins Baltikum und nach Russland. Deutschland besaß drei Hauptanbauzentren, die Bodenseeregion/Schwaben, Westfalen/Südniedersachsen und Sachsen/Niederschlesien/Pommern. Durch den Aufstieg der Städte ging die Tuchherstellung aus dem ländlichen Bereiche im 12./13. Jahrhundert, in die vorwiegend gewerbliche Produktion über. Dabei blieb die Herstellung des Rohmaterials bis zum gesponnenen Garn weiter hauptsächlich im Ländlichen, während die Weber sich immer mehr in der Stadt ansiedelten. Die Leinenweber hatten dabei oft nicht den Stand und das Ansehen, wie die Wollweber. So gab es in Norddeutschland des Öfteren Zunftverbote und Leinenweber gehörten in einigen Orten zum unehrlichen Gewerbe. Dagegen genossen sie in Süddeutschland ein wesentlich höheres Ansehen.

Bevor der Flachs überhaupt zur Faser gewonnen werden kann, sind schon einige Arbeitsgänge nötig, um das geröstete Flachsstroh zu erhalten.
Um die komplette Faserlänge auszunutzen, wurde der Flachs nicht geschnitten, sondern mit den Wurzeln aus der Erde gezogen, das sogenannte Raufen. Dies geschah etwa 100 Tage nach der Aussaat, wenn die Stängel die ersten Blätter verloren, aber die Samenkapseln noch geschlossen waren. Danach wurde er auf dem Feld getrocknet.  



Flachsverarbeitung/DSC09579_(320_x_240).jpgMein Riffelkamm stammt wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert. Bisher habe ich keine Belege solcher Kämme aus dem Mittelalter gefunden. Ob man die Samenkapseln durch das Riffeln gewonnen hat, kann ich daher leider nicht sagen.


Die Flachspflanze ist so aufgebaut, dass um den Kern in Bündeln die Fasern angeordnet sind. Um sie vom Rindengewebe zu lösen, muss der Flachs gerottet werden, das sogenannte Rösten. Man unterscheidet dabei die Tau- und die Wasserröste.
Bei der Tauröste wird der Flachs auf die Felder oder auf Wiesen gelegt und man nutz dabei gerne die Feuchtigkeit, die durch den Morgentau entsteht, bevorzugt wurden daher fette Feuchtwiesen. Dieses Verfahren konnte vier bis sechs Wochen betragen.
Bei der Wasserröste wurde der Flachs in Gewässern oder auch extra angelegte Gruben (Rottgruben) gelegt und in diesen vollständig mit Wasser bedeckt. Von Vorteil hier, dass die Röste nur ca. 14 Tage dauerte. Allerdings setzten sich beim Rottprozeß Stoffe frei, die nicht nur Fischsterben verursachten, sondern es auch unmöglich machten, das Wasser auf Felder auszubringen, da die Pflanzen dann abstarben. Es gab schon im Mittelalter Erlässe, die die Wasserröste in bestimmten Gewässern unter Strafe stellten. (Dambroth/Seehuber, Flachs Züchtung-Anbau-Verarbeitung 81-84)
Welches Röstverfahren die besseren Fasern liefert, ist für mich noch widersprüchlich, da ich in der Literatur verschiedene Angaben dazu gefunden habe. Allerdings wird schon in einem Schreiben aus dem neunzehnten Jahrhundert dieser Widerspruch erwähnt. Bei optimalsten Bedingungen scheinen beide Verfahren gutes Material zu liefern. Auch darüber, welches Verfahren heute mehr genutzt wird, kann ich nichts Genaues sagen, da es hier leider ebenfalls zwei verschiedene Aussagen gibt.
Nach dem Rösten/Rotten musste der Flachs erneut getrocknet werden. Dies geschah, indem man ihn auf den Feldern ausbreitete, war er soweit vorgetrocknet, dass die Stängel brüchig wurden, stellte man ihn büschelweise auf, um ihn ganz trocken zu bekommen. Bei schlechter Witterung wurde auch die Möglichkeit genutzt, den Flachs in Backöfen zu trocknen, ab der Neuzeit gibt es mehrere Berichte, dass Stadtbrände dadurch ausgelöst wurden. Ob diese Verfahren im Mittelalter bereits Anwendung fanden, weiß ich nicht. Ich habe mehrfach auch über spezielle Darröfen und -gruben gelesen, die den Flachsstängel durch trocknen über Feuer härter machen sollten, damit sich die Holzteile noch besser lösten.
Das Verarbeiten des Flachsstrohs war eine Winterarbeit. Ein Lied aus dem 13. Jahrhundert von Neidhardt, auf das ich gestoßen bin, trägt daher auch den Titel „Winterlied“. Ebenso sind die Bilder über die Flachsverarbeitung von Albrecht Glockendon aus den Jahren 1526 und 1535 den Kalenderblättern November zugeordnet.

Das Dreschen des Flachses, wenigstens in Westfalen sprach man von Boken, wurde in der Neuzeit nicht überall gemacht. Es erleichtert das Brechen, ist aber nicht zwingend notwendig. Belege für das Mittelalter habe ich nur aus einem Liedtext, wobei ich nicht sicher bin, ob das Wort „dehsen“ tatsächlich für dreschen steht.Flachsverarbeitung/DSC08340_(320_x_240).jpg

Unsere Flachsbreche ist eine Nachbildung von Glockendons Illustrationen und einem Holzschnitt um 1583. Daher hat sie auch nur eine „Schneide“. Gerätschaften aus späteren Jahrhunderten besitzen meistens zwei. Als Bildquelle habe ich leider bisher nichts Früheres gefunden. Es gibt aber laut Lexikon des Mittelalters schriftliche Belege für 1300.
Der Flachs wurde gebrochen, um die äußere holzige Schicht zu zerstören und einen Großteil, die Schäben, davon auszuschlagen.
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Flachsverarbeitung/DSC09154_(320_x_240).jpgDas Flachsschwingen wurde wie schon erwähnt bereits im ausgehenden Hochmittelalter besungen. Auf den Bildern von Glockendon kann man auch eine Flachsschwingerin sehen. Allerdings ist dort und auch auf dem Holzschnitt nur eine Art Tisch oder Klotz abgebildet, auf der die Schwingerin den Flachs legt. Unsere Konstruktion kommt moderneren Geräten nach, die wir gesehen haben und ich kann nicht sagen, ob die Ursprünge ins Mittelalter zurückreichen. Belegt ist aber das Schwingschwert. Das Original haben wir in der Ausstellung „Aufbruch in die Gotik“ in Magdeburg gesehen, eine Leihgabe des Braunschweiger Landesmuseums. Wir haben das Schwert nach den angegebenen Maßen im Ausstellungskatalog aus Rotbuche nachgebaut.
Mit dem Schwingen wurden die restlichen holzigen Teile von der Flachsfaser entfernt.
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Von der Flachshechel habe ich nur eine Abbildung (Gaia Caecilia or Tanaquil at her loom, c1400-c1425), die auf den Arbeitsgang hinweisen könnte. Auf dem Bild wird neben dem Weben das Spinnen und Kadieren von Wolle gezeigt. Die vierte Frau auf der Abbildung steht vor einem runden Holzstamm, auf dem mehrere Reihen langer Zinken stehen und ist gerade dabei, lange Fasern darüber zuziehen. Da die Wollkämme sonst immer als Paar und nur ein- bis zweireihig gezeigt werden und aufgrund der langen Fasern halte ich hier das Flachshecheln für wahrscheinlicher.
Unsere Hechel ist dementsprechend ebenfalls sehr einfach gehalten. Sinnvoll erscheint mir, später noch eine feinere dazu zu nehmen. Die erste grobe Hechel, um die letzten Holzteile und kurzen Fasern zu entfernen und die feine, um den Flachs zu glätten und auszukämmen.
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Von dem Flachs blieben nach den oben genannten Arbeitsgängen ca. 10% an guter Langfaser über. Der Rest war aber keineswegs Abfall. Die kurzen Fasern, die während des Hechelns ausgekämmt wurden, das sogenannte Werg wurde zu Tuchen minderer Qualität weiterverarbeitet.

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Abbildungen über Spinnrocken habe ich öfter gefunden. Allerdings hält die Spinnerin diese meistens unter den Arm geklemmt. Ich habe diese Technik noch nicht ausprobiert und stelle es mir bei den langen Flachsfasern auch schwieriger vor, als bei Wolle. Unser Rocken entstand nach einer Abbildung von 1402 aus Giovanni Boccaccio, Des claires et nobles femmes.


Literaturquellen:

Allgemein über Flachs und Leinenweber:
Vom Flachs zum Leinengarn, Brigitte Dörte Becker
Vom Flachs zum Leinen, Franz Carl Lipp
Von Flachs zu Leinen in alter Zeit, Marianne Fasse
Flachs, Züchtung-Anbau-Verarbeitung, Dambroth/Seehuber
Die Faserpflanze Flachs/Lein, Helga Heubach
Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Bernd-Ulrich Hergemüller
Die Zunft im Mittelalter, Sabine Heusinger
Lexikon des Mittelalters

Bildnachweise
Katalog der Ausstellung „Aufbruch in die Gotik“
Gotische Miniaturen, Emma Pirani
Zeitglöcklein, Verlag Bibliographisches Institut Leipzig
Spinnen und Weben, Almut Bohnsack

Textnachweise
Waz hilfet ane sinne kunst?, Tomas Cramer
Lied im deutschen Mittelalter, Verlag Institute of German Studies