Geschichtliche Hintergründe
Der Stader Blidenbauer
Wie
auf unserer Eingangsseite schon erwähnt deuten einige Spuren darauf
hin, dass es im 14ten Jahrhundert in Stade einen Blidenmeister gegeben
hat. Mehrfach wird in den alten Stadtbüchern ein Magister Ballistarius
oder Balistifex erwähnt, so zum Beispiel auch in dem Abschnitt
oben. Oft wird dieser Name heute mit Armbrustmachern in
Verbindung gebracht. In früheren Übersetzungen taucht hingegen häufig
die Bezeichnung Geschützmeister oder Wurfmaschinenbauer auf.
Tatsächlich bedeutet die Lateinische Übersetzung allgemein Wurfgeschütz
und es ist anzunehmen, dass auch ein Blidenbauer diese Bezeichnung
trug. Möglich wäre ebenfalls, dass der Blidenbauer später auch
Armbrustmacher war oder als Rüstmeister die Verantwortung über die
städtischen Waffen hatte. Zumindest baut man Bliden allgemein nicht in
großer
Stückzahl und daher scheint es sinnvoll, sich eine zusätzliche
Verdienstmöglichkeit zu schaffen.
Leider sind von Stade nur wenige
Urkunden und Dokumente aus dem Mittelalter erhalten geblieben. Ein
großer Teil ging während des großen Stadtbrandes am 26. Mai 1659
verloren, bei dem zwei Drittel der Altstadt zerstört wurden. Ein
weiterer Teil wurde während des zweiten Weltkrieges im
Zentralarchiv in Hannover vernichtet. Daher können wir nur auf sehr
wenige Dokumente zurückgreifen, von denen einige auch noch nicht
übersetzt wurden.
Zwischen 1358 und 1363 taucht der Geschützmeister (Magister) Conradus Ballistarius/Balystarius/Balistifex
zum ersten Mal auf; wohnhaft in einem Haus der Stadt zunächst in der
Nähe des großen Stadttores, dann in der Schmiedestraße. Von 1377 bis
1399 ist wieder etwas zu finden, jetzt unter dem Namen
Marquardi/Marquardo Balistifex, ab 1390 auch mehrfach unter der
Bezeichnung Balistaria. Ebenfalls immer wieder erwähnt wird der Titel
Magister. Wenigstens ab 1380 muss er über einigen Wohlstand verfügt
haben. Er tritt unter anderem als Gläubiger hervor, der eine Summe von
40 Mark verliehen hat.
Einen
weiteren Hinweis gibt uns ein Bericht
aus Bremen. In einer alten Schrift wird erwähnt, dass die Bremer im
Rahmen der Mandelsloher Fehde 1383 Brobergen belagert haben. Allerdings
sind wir hier auf ein Terminproblem gestoßen, da die Fehde bereits 1381
mit einer Sühne beendet wurde und konnten diese Zusammenhänge noch
nicht genau klären. Brobergen
liegt etwa 20 km von Stade entfernt. In dem Bericht steht, dass die
Bremer ihre Kanonen mit sich führten, die Stader hatten ihre Blide.
Damit ist davon auszugehen, dass Stade zu dem Zeitpunkt über wenigstens
eine Blide
verfügt hat.
Oft war es so, dass die Städte solch ein Gewerf für
ihre Stadtverteidigung gebaut haben. Die Bliden waren zerlegbar und
wurden im Zeughaus gelagert und im Belagerungsfall zusammengebaut, wo
sie dann zum Einsatz kamen. Es tauchen aber auch immer wieder Berichte
auf, in denen Bliden verliehen und transportiert wurden.
Bereits 70
Jahre zuvor, 1311 wurde im heutigen Beckdorf die Dannseeburg von dem Bremer
Erzbischof Johann Grand mit einer Blide belagert. Direkte Hinweise auf eine Blide aus Stade gibt es hier allerdings nicht, obwohl auch Beckdorf nur 25
km von Stade entfernt liegt.
Dann fanden wir in zwei älteren Büchern
aus 19. Jahrhunderts den Hinweis, dass Stade für seine Bliden einen
gewissen Bekanntheitsgrad hatte. Inwieweit das auf geschichtliche
Fakten beruht ist heute leider nicht mehr nachzuvollziehen und daher
wohl eher als spekulativ anzunehmen.
Ein weiterer Punkt war die
Angabe des Wohnortes. Mehrfach wird erwähnt, dass er ein Haus gegenüber
St. Spiritus bewohnt hat. Von alten Stadtplänen ausgehend müsste sein
Haus damit an der Stadtmauer, ganz in der Nähe des großen Haupttores
gelegen haben. Für einen Blidenbauer würde das unserer Meinung nach
Sinn machen, wenn man davon ausgeht, dass die Blide dort gelagert
wurde, wo sie auch höchstwahrscheinlich zum Einsatz kam.
Schwerer
fällt die Entscheidung, in welche Berufskategorie der Blidenbauer
einzuordnen ist. Bisher waren wir davon ausgegangen, dass der
Blidenbauer aus dem Zimmermannshandwerk kam und sich dann spezialisiert
hat. Ob dies so aufrecht zu halten ist, bleibt offen, denn als
Armbrustbauer müssten wohl andere Voraussetzungen angenommen werden.
Andererseits besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass der
Armbrustbau später dazu kam, wie oben schon erwähnt.
Alles
in
allem sind es nur einzelne Bruchstücke, die wir gefunden haben. Fast
man diese zusammen besteht aber die Möglichkeit oder ist es sogar
wahrscheinlich, dass Marquardus Ballistifex/Balistarius in Stade mit
dem
Blidenbau zu tun hatte.