Geschichtliche Hintergründe

Stadbuch1015

Der Stader Blidenbauer
Wie auf unserer Eingangsseite schon erwähnt deuten einige Spuren darauf hin, dass es im 14ten Jahrhundert in Stade einen Blidenmeister gegeben hat. Mehrfach wird in den alten Stadtbüchern ein Magister Ballistarius oder Balistifex erwähnt, so zum Beispiel auch in dem Abschnitt oben. Oft wird dieser Name heute mit Armbrustmachern in Verbindung gebracht. In früheren Übersetzungen taucht hingegen häufig die Bezeichnung Geschützmeister oder Wurfmaschinenbauer auf. Tatsächlich bedeutet die Lateinische Übersetzung allgemein Wurfgeschütz und es ist anzunehmen, dass auch ein Blidenbauer diese Bezeichnung trug. Möglich wäre ebenfalls, dass der Blidenbauer später auch Armbrustmacher war oder als Rüstmeister die Verantwortung über die städtischen Waffen hatte. Zumindest baut man Bliden allgemein nicht in großer Stückzahl und daher scheint es sinnvoll, sich eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit zu schaffen.
Leider sind von Stade nur wenige Urkunden und Dokumente aus dem Mittelalter erhalten geblieben. Ein großer Teil ging während des großen Stadtbrandes am 26. Mai 1659 verloren, bei dem zwei Drittel der Altstadt zerstört wurden. Ein weiterer Teil wurde während des zweiten Weltkrieges im Zentralarchiv in Hannover vernichtet. Daher können wir nur auf sehr wenige Dokumente zurückgreifen, von denen einige auch noch nicht übersetzt wurden.
Zwischen 1358 und 1363 taucht der Geschützmeister (Magister) Conradus Ballistarius/Balystarius/Balistifex zum ersten Mal auf; wohnhaft in einem Haus der Stadt zunächst in der Nähe des großen Stadttores, dann in der Schmiedestraße. Von 1377 bis 1399 ist wieder etwas zu finden, jetzt unter dem Namen Marquardi/Marquardo Balistifex, ab 1390 auch mehrfach unter der Bezeichnung Balistaria. Ebenfalls immer wieder erwähnt wird der Titel Magister. Wenigstens ab 1380 muss er über einigen Wohlstand verfügt haben. Er tritt unter anderem als Gläubiger hervor, der eine Summe von 40 Mark verliehen hat.
Einen weiteren Hinweis gibt uns ein Bericht aus Bremen. In einer alten Schrift wird erwähnt, dass die Bremer im Rahmen der Mandelsloher Fehde 1383 Brobergen belagert haben. Allerdings sind wir hier auf ein Terminproblem gestoßen, da die Fehde bereits 1381 mit einer Sühne beendet wurde und konnten diese Zusammenhänge noch nicht genau klären. Brobergen liegt etwa 20 km von Stade entfernt. In dem Bericht steht, dass die Bremer ihre Kanonen mit sich führten, die Stader hatten ihre Blide. Damit ist davon auszugehen, dass Stade zu dem Zeitpunkt über wenigstens eine Blide verfügt hat.
Oft war es so, dass die Städte solch ein Gewerf für ihre Stadtverteidigung gebaut haben. Die Bliden waren zerlegbar und wurden im Zeughaus gelagert und im Belagerungsfall zusammengebaut, wo sie dann zum Einsatz kamen. Es tauchen aber auch immer wieder Berichte auf, in denen Bliden verliehen und transportiert wurden.
Bereits 70 Jahre zuvor, 1311 wurde im heutigen Beckdorf die Dannseeburg von dem Bremer Erzbischof Johann Grand mit einer Blide belagert. Direkte Hinweise auf eine Blide aus Stade gibt es hier allerdings nicht, obwohl auch Beckdorf nur 25 km von Stade entfernt liegt.
Dann fanden wir in zwei älteren Büchern aus 19. Jahrhunderts den Hinweis, dass Stade für seine Bliden einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte. Inwieweit das auf geschichtliche Fakten beruht ist heute leider nicht mehr nachzuvollziehen und daher wohl eher als spekulativ anzunehmen.
Ein weiterer Punkt war die Angabe des Wohnortes. Mehrfach wird erwähnt, dass er ein Haus gegenüber St. Spiritus bewohnt hat. Von alten Stadtplänen ausgehend müsste sein Haus damit an der Stadtmauer, ganz in der Nähe des großen Haupttores gelegen haben. Für einen Blidenbauer würde das unserer Meinung nach Sinn machen, wenn man davon ausgeht, dass die Blide dort gelagert wurde, wo sie auch höchstwahrscheinlich zum Einsatz kam.

Schwerer fällt die Entscheidung, in welche Berufskategorie der Blidenbauer einzuordnen ist. Bisher waren wir davon ausgegangen, dass der Blidenbauer aus dem Zimmermannshandwerk kam und sich dann spezialisiert hat. Ob dies so aufrecht zu halten ist, bleibt offen, denn als Armbrustbauer müssten wohl andere Voraussetzungen angenommen werden. Andererseits besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass der Armbrustbau später dazu kam, wie oben schon erwähnt.

Alles in allem sind es nur einzelne Bruchstücke, die wir gefunden haben. Fast man diese zusammen besteht aber die Möglichkeit oder ist es sogar wahrscheinlich, dass Marquardus Ballistifex/Balistarius in Stade mit dem Blidenbau zu tun hatte.